Interview mit Johannes Zemanek
atem austria: Lieber Johannes, Du bist ja in sehr jungen Jahren zur Atempädagogik gekommen. Und als Mann bist du eine gewisse Ausnahme-erscheinung. Wie kam es dazu?
Johannes: Wenn ich so zurückschaue, erscheint es mir fast wie ein Wunder, dass ich das Glück hatte die Atempädagogik schon im Alter von 25 Jahren zu entdecken. Ich stamme aus einem sehr bürgerlichen und intellektuellen Haushalt, mit zwei Richtern als Eltern, sodass es gar nicht Nahe lag mich mit „so etwas Banalem“ wie dem Atem zu beschäftigen. Ich schloss sogar ein Jusstudium ab, bevor ich dann schließlich Atempädagoge wurde.
In der Schule kam ich zufälliger Weise mit Theater in Kontakt und intensivierte dieses Hobby während meines Studiums. Ich entwickelte ein großes Interesse für die körperlichen Aspekte dieser Kunst, weil ja der eigene Körper, das Instrument ist, mit dem wir spielen. Wenn dieses nicht gestimmt ist, dann trifft man keine Töne. Heute weiß ich, dass der Atem das Zentrale dafür ist. Damals wollte ich meine Stimme und mein Sprechen durch einen
Workshop verbessern. Nun war diese Lehrerin eine Atempädagogin, was mir zu dem Zeitpunkt gar nichts sagte. „Häh, was ist das?“, war alles was ich dachte. Andere stellten Fragen dazu und ich schenkte der Sache nicht einmal Beachtung. Ich war ja wegen etwas ganz anderem da. Als ich aber mit den Übungen bemerkte, wie hilfreich diese für meine Stimme waren, fing ich sofort Feuer für die Methode und buchte einen weiteren Workshop. Dabei wurde mir klar, dass die Atempädagogik noch viel mehr ist und auf vielen Ebenen
meine Entwicklung vorantreiben kann, dass ich ohne viel Zögern mit einer Ausbildung begann. Dort war ich zwar nicht der einzige Mann – es gab tatsächlich noch einen zweiten – aber ich war sicherlich mit Abstand der Jüngste. Viele Männer zeigen wenig Bereitschaft sich selber spüren und kennen lernen zu wollen, weil sie sich vorwiegend über Leistung
definieren. Außerdem kommt die Atempädagogik nicht hip daher, als Lifestyle-Hobby wie Yoga, sondern fordert einen immer auch in der persönlichen Entwicklung. Das macht sie aber auch so einzigartig, tiefgehend und umfassend ganzheitlich. Daher habe ich auch nicht weiter mit meiner juristischen Profession arbeiten können, die sich vor allem damit
beschäftigt wie das Leben sein soll. So habe ich mich als Atempädagoge selbstständig gemacht. Mir geht es um Dasein, Mitsein und das tatsächliche Leben.
atem austria: Dein Werdegang zeigt, dass du mit Leidenschaft Atempädagoge bist. Was genau begeistert dich an dieser Arbeit?
Johannes: Atempädagogik ist eine der wenigen Methoden, die einen ganzheitlichen Ansatz haben, körperlich seelisch und geistig und gleichzeitig ohne esoterisches Energiesystem auskommt. Das zentrale Element ist das Bewusst werden, das Gewahrsein und die Sammlung, wie wir es in der Atempädagogik nennen. Mit allen Sinnen versammelt sein, nichts ausschließen und alles ins Ganze mit hineinnehmen. Es ist eine Methode, die
sowohl bei körperlichen Schmerzen hilft, für Entspannung sorgt, als auch zur persönlichen Entwicklung beiträgt. Du kannst mit ihr die eigene Stimme entdecken und deine innere wie äußere Haltung verbessern. Die Atempädagogik ist eine essentielle Grundlagenmethode, die zu einem unmittelbaren, reichhaltigerem und genussvollerem Leben verhilft.
atem austria: Du bist auch noch Feldenkraislehrer. Wenn in der Atempädagogik schon alles Wichtige abgedeckt ist, was war dann dein Beweggrund, dich zusätzlich noch zum Feldenkraislehrer ausbilden zu lassen?
Johannes: Die Ausbildung zum Atempädagogen in Österreich dauerte drei Semester. Ich bemerkte, dass mir noch einiges fehlt. Die Feldenkraismethode ist in vielerlei Hinsicht kompatibel mit der Atempädagogik. Bestimmte Aspekte werden noch viel intensiver und differenzierter angesprochen, als ich es in der Atempädagogik kennen gelernt habe. Die Bewegung und die Organisation im Schwerkraftfeld stehen bei Feldenkrais im Vordergrund. Das ist eine wunderbare Ergänzung und Vertiefung, für die ich sehr dankbar bin.
atem austria: Du bist ja nicht müde geworden dich weiterzubilden, außerhalb und innerhalb der Atempädagogik. Denkst du das Embodied Life, Breath Experience und dieAusbildung zum Psychotherapeuten in der Konzentrativen Bewegungstherapie dieSache Rund macht?
Johannes: Genauso ist es. Es gibt immer wieder Sichtweisen anderer Methoden, die mein Blickfeld erweitern. Der Atem spricht viele psychische Aspekte an, die unter Umständen auch aufgefangen werden müssen. Traumatisches Material kann sich zeigen, hier hilft mir die psycho-therapeutische Ausbildung. Mit Embodied Life wird Feldenkrais um Meditation
und Focusing ergänzt, Focusing ist eine körperorientierte Selbsterfahrungs-methode aus der Tradition Carl Rogers. Und mit Breath Experience wird die Atempädagogik in ihrer freien entwicklungsbetonten Form zu einem wahren Schatz. Breath Experience, die Arbeit von Juerg Roffler, werde ich noch durch eine weitere Ausbildung vertiefen.
atem austria: Deine Arbeitsweisen sind sehr vielfältig. Gibt es Klient:innen, die besonders von deinem Angebot profitieren?
Johannes: Meine Arbeit ist sicher besonders für Menschen die an Achtsamkeit und Persönlichkeitsentwicklung interessiert sind, als auch für jene die Rücken- oder Gelenksprobleme haben.
atem austria: Dann hast du ja noch einiges vor und deine Klientinnen und Klienten können von deinen vielfältigen Zugängen in deinen Kursen, Seminaren und Einzelstunden profitieren.
atem austria: Lieber Johannes wir danken dir für das Interview und für die Übung, die du den Leserinnen und Lesern unseres Newsletters zur Verfügung stellst. Die Übung werden wir auch auf unserer Website unter Übungen veröffentlichen.
10. Dezember 2025
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